Wissen hüten
Ein neues gta-Archiv in der Hutfabrik Welti

Selbst wenn wir die Welt neu erfinden, stehen wir auf den Schultern von unzähligen Vorgängern. Auf dem tausendjährigen Baubestand und auf unseren Erinnerungen beruhen unsere Ideen und unser Wissen. Unsere Erinnerung ist kein leeres Blatt, die ‘tabula rasa’ existiert nur in der Theorie. Jedes Bauwerk, jede Stadt, selbst eine neue Stadt inmitten der Wüste, gründet auf der Erinnerung an andere Bauwerke und andere Städte.

Die gesamte Architekturgeschichte ist unsere Bibliothek und zugleich unser Versuchslabor. Jedes Bauwerk ist eine Notiz für den Nächsten – etwas, an das er anknüpfen kann. Das unendliche Bauarchiv besteht jedoch nicht nur aus gebauten Zeugen, sondern ebenso aus papierenen. Denn vor jedem vollendeten Gebäude liegt eine lange Reihe von Zeichnungen und Plänen. Diese zeugen vom Entstehungsprozess sowie von der Absicht des Baumeisters und zeigen, wie das Bauwerk gemacht ist. Der Ort dieser papierenen Zeugen ist das Archiv. In ihm ist alles gespeichert, das Archiv ist das zu Stoff gewordene Gedächtnis. Ihm wollen wir das kommende Semester widmen.

Auf der Grundlage einer ehemaligen Hutfabrik in Zürich entwerfen Sie ein neues Haus für das gta Archiv der ETH. Das gta Archiv ist eines der grössten und bedeutendsten Architekturarchive der Welt. Seine gegenwärtigen Räumlichkeiten jedoch sind in keiner Weise adäquat und gewähren weder den Dokumenten angemessenen Schutz, noch bieten sie attraktive Arbeitsplätze für die Forscher.

Das Archiv hat in der Architektur eine lange Geschichte. Dennoch ist es nicht an eine fixe Typologie gebunden, zu vielfältig und unterschiedlich waren und sind seine Inhalte. Das öffnet den Spielraum für den Entwurf und fordert die Erfindungslust der Entwerfer.

Die offene Interpretation des Programms und der enge Spielraum im Bestand sind Herausforderung und Reiz zugleich. Durch das Semester werden uns auswärtige Experten mit Vorträgen, Exkursionen und Kritiken begleiten. Passend zum Entwurfsthema werden Sie im Zeichensaal nach und nach ein gemeinsames Archiv der Ideen, Erkenntnisse und Arbeitsschritte schaffen. Dieses wiederum ist Grundlage und Inspiration für den eigenen Entwurf.

Als Bauplatz haben wir einen Ort gewählt – versteckt, aber an bester Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zur ETH Zentrum. Passend zum Entwurfsthema bauen wir weiter am Bestand, denn Bauen im Bestand anstelle des Abrisses ist heute aktueller denn je und wird eine zentrale Aufgabe der zukünftigen Architektengeneration sein.

Als Ausgangsobjekt für unser Archiv dient ein Hofgebäude aus dem Jahr 1907, die ehemalige Stroh- und Filzhutfabrik Welti an der Weinbergstrasse in Zürich. Sie bauen das bestehende Hofgebäude um und stocken es auf. Dabei werden Sie sich mit unterschiedlichsten Massstäben beschäftigen. Das Spektrum reicht vom Behälter für die einzelne Archivalie über den Arbeitsplatz bis zum Ausstellungraum. Denn im Archiv gehören Medium, Mobiliar und Raum untrennbar zusammen. Inhaltlich beschäftigen wir uns mit elementaren architektonischen Themen wie Raum, Licht, Wegführung und Zeit.

Der Gang durch ein Archiv gleicht einer Zeitreise: wie in der gebauten Stadt finden sich auch im Archiv Dokumente aus unterschiedlichsten Epochen in unmittelbarer Nachbarschaft.

Einführungsveranstaltung
Dienstag, 15.09.2020, 10.00 Uhr
Seminarzone HIL F61

Assistierende
Rosário Gonçalves
Daan Koch
Nicole Leuthold
Tobia Rapelli
Florian Schrott

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