Ein Waldbad
Baden am Waidberg

Filmempfehlung: Mikrokosmos – Das Volk der Gräser, 1996
von Claude Nuridsany und Marie Pérennou

Der Wald ist kein Bauland. Und doch lässt sich durch die gesamte Geschichte eine innige, zuweilen auch widersprüchliche Verbindung von Wald und Architektur verfolgen. Der Wald als Abbild einer ungezähmten Natur, als mythischer Ort des Unbewussten, von Gefahr und Schutz zugleich, als form- oder gar strukturbildendes Motiv von Raum und Tragstruktur, als Vorbild von Gewölbekonstruktionen, als Synonym für Räume mit dichten Stützenfeldern und nicht zuletzt als Lieferant des Baustoffs Holz. Der Wald war nie nur Wildnis, sondern stand immer auch im Dienst des Menschen als Viehweide, Jagdrevier, Energie- und Rohstofflieferant, als Erholungsraum. An die Stelle des Naturwalds ist längst der Kulturwald getreten. Dennoch erlauben nur wenige Nutzungen das Bauen im Wald: Waldhütte, Forsthaus, Werkhof, Festhütte oder Unterstand, um nur einige zu nennen.

Für unser Semesterprojekt haben wir den Wald auf dem Käferberg als Bauplatz gewählt. In der Sturmnacht vom 13. Juli wurde dieser Wald in unserer direkten Nachbarschaft besonders stark getroffen und beschädigt. Der Sturm hat gezeigt wie verletzlich der Wald ist. Die Naturgewalt ist aber nicht der einzige ‘Störefried’. Die Wälder in Stadtnähe sind immer auch Freizeit- und Erholungsraum. Wenn wir also im Wald auf dem Käferberg bauen, dringen wir nicht in unberührte Natur vor, sondern in eine gepflegte und bewirtschaftete Kulturlandschaft. Trotzdem stören wir einen uns fremden Lebensraum, eine Wohnstätte von Pflanzen und Tieren.

Wir entwerfen im Wald auf dem Käferberg ein öffentliches Bad. Zürich hat eine reiche Tradition an öffentlichen Badeanstalten, von den Fluss- und Seebädern des 19. Jahrhunderts bis zu den Freibädern des neuen Bauens. Stand das Bad am Anfang im Dienst von Hygiene und Volksgesundheit, so entwickelte sich die Badeanstalt mit der Zeit zu einem Ort für Sport, Freizeit und Vergnügen. Die Freibäder Letzigrund und Allenmoos, die Badeanstalten am Seeufer und entlang der Limmat sind äusserst beliebt. Trotz grossem Angebot besteht eine noch grössere Nachfrage. Zürichs Bäder sind nicht nur Zeitzeugen einer sich im Laufe der Zeit gewandelten Badekultur, sondern auch architektonisch von ausserordentlicher Qualität. Mit dem Waldbad auf dem Käferberg wollen wir die Reihe dieser architektonischen Glanzstücke fortführen. Mit der Wahl des Bauplatzes im Wald stellt sich die Frage nach der Art des Badebetriebs. Was unterscheidet ein Waldbad von anderen öffentlichen Bädern? Was für ein Programm könnte dem spezifischen Ort gerecht werden? Es geht in der Semesterarbeit darum eine Form des Badens zu finden, die das Besondere des Ortes aufnimmt und ein Badeerlebnis bietet, welches nur im Wald möglich ist. Das Programm ist deshalb offen formuliert und reduziert, es gleicht eher demjenigen eines japanischen Onsen, als einem Sport- oder Plauschbad.

Die ersten Arbeitsschritte im Semester werden im Wald stattfinden. Dabei begleiten uns Expertinnen in Forstwirtschaft, Biologie und Umweltwissenschaften. Wir beginnen mit präzisen Beobachtungen und detaillierten Aufnahmen, Skizzen, Zeichnungen und Analysen, dem Sammeln von Fundstücken, um daraus wiederum charakteristische Eigenheiten und Gesetzmässigkeiten abzuleiten. Die kollektive Sammlung von Objekten und Zeichnungen dient als Inspirationsquelle und liefert Anhaltspunkte für erste Ideen zur Baustruktur. Der gesamte Entwurfsprozess wird von Zeichnen und Modellbau begleitet. Neben Ort und Inhalt stehen Raum- und Tragstruktur im Vordergrund. Wir entwerfen aus der Struktur heraus. Sie bestimmt den Entwurf von der Grundidee über die Wahl von Konstruktionsprinzip und Material bis zu Detail und Raumstimmung. Dabei bildet das Dach ein wesentlicher Ausgangspunkt. Wie hängen Dachform mit Trag- und Raumstruktur zusammen? Wie wird das Dach entwässert? Wie können wir dabei technische Massnahmen in architektonische Themen verwandeln? Wie beeinflusst das Konstruktionsprinzip die Materialwahl und umgekehrt? Eine besondere Bedeutung kommt in dieser Aufgabe auch dem Massstab und dem Verhältnis von Bauteil und menschlichem Körper zu. Die Badenden sind ungeschützt und kommen hautnah mit der Architektur in Berührung. Ein wichtiger Aspekt ist deshalb die Behandlung von Oberflächen und Materialien. Weitere wesentliche Entwurfsthemen sind die Übergänge: zwischen innen und aussen, gedämmt ungedämmt, überdacht offen, hellen und schattigen Zonen, nass trocken, bekleidet unbekleidet. Diese Schwellenräumen bieten ein inspirierendes und architektonisch unerschöpfliches Spielfeld. Nicht zuletzt werden wir uns intensiv mit der Lichtführung beschäftigen. Das ganze Spektrum zwischen Licht und Schatten, wie es nur der Wald zu bieten hat, werden wir auch in der Architektur wiederzugeben versuchen. Bei unserem ersten Besuch werden wir einen anderen Wald vorfinden als zum Ende des Semesters. Kaum ein anderer Naturraum verändert sich so stark in den verschiedenen Jahreszeiten. Drei verschiedene Bauplätze widerspiegeln unterschiedlichen Situationen, Waldlichtung, Dickicht und Waldrand.

Unser Semester wird stark von elementaren architektonischen und konstruktiven Themen geprägt. Das soll uns nicht davon abhalten auch aktuelle Fragen des schonenden Umgangs mit den Ressourcen miteinzubeziehen. Unser Bauplatz und die Bauaufgabe bieten dazu eine herausfordernde Grundlage.

JAHRESKURS - AUSBLICK FS22
Im Frühlingssemester werden wir uns dem Thema Wohnen widmen und entwerfen städtische Wohnbauten in Zürich. Als Rückgrat für den Entwurf dient diesmal nicht die Struktur, sondern das Programm. Wir besuchen exemplarische Wohnbauten, nehmen ausgewählte Bauteile auf und nutzen die gemachten Beobachtungen und Aufnahmen als Referenz für eigene Entwürfe. Die im Herbstsemester erworbenen Erkenntnisse werden dabei vertieft. Über das gesamte Semester hinweg arbeiten wir mit Modellen im Massstab 1:20 und legen dabei einen speziellen Fokus auf die Modellfotografie.

Einführungsveranstaltung
Dienstag, 21.09.2021, 10.00 Uhr
Seminarzone HIL F61

Assistierende
Rosário Gonçalves
Nicole Leuthold
Tobia Rapelli
Luis Sarabia
Florian Schrott

Gastvorträge
Das Semester wird von Inputs zu den einzelnen Schwerpunktthemen, Werkzeugen und Darstellungstechniken sowie zum Thema Wald begleitet. Speziell möchten wir auf die Gastvorträge eingeladener Fachleute hinweisen:

Dienstag, 02.11.2021, 17.00 Uhr: Jürg Graser, Graser Troxler Architekten, Zürich

Dienstag, 09.11.2021, 17.00 Uhr: Daniel Ganz, Ganz Landschaftsarchitekten, Zürich

Mittwoch, 01.12.2021, 13.00 Uhr: Martin Valier, Penzel Valier, Zürich

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